Von Lisi Konrad
Johann Jakob Stainer wurde am 10. Juni 1755 in Waidring geboren. Wie sein Vater Simon Thaddäus Stainer war Jakob Stainer Postmeister.
Bekannt wurde er durch sein Organisationstalent in den Kriegsjahren 1796-1814. 1799 wurde ihm bei der Einteilung der Kompanien des Gerichts Kitzbühel, neben Pfleger Josef Kaisermann und Hörwarter, die Stelle des 2. Landsturmmajors übertragen. Im Jahre 1800, als Napoleon Bonaparte abermals versuchte Österreich anzugreifen, rüstete sich das Länderaufgebot von Tirol, um die Grenzpässe abzusichern. Moreau gewann die Schlacht bei Hohenlinden und rückte weiter gegen Salzburg vor. Der Generalmajor Marquis de Chasteler veranlasste sofort die Besetzung der salzburgischen Pässe und bestellte das Aufgebot der Kitzbühler Gerichte. Inzwischen wurde das Pinzgau von Pfleger Sonnenburg von Lofer und Hauptmann Strucker informiert. „Die Stand- und Dislokationsliste der sechs Landsturmkompanien des Gerichtes Kitzbühel ( … ) führt 898 Mann an, von denen nur 561 mit Feuergewehren bewaffnet waren; diese Mannschaften standen bei Ebbs, Wildbühel, Erl und Niederndorf. Als erster und zweiter Oberkommandant sind darauf angeführt Stainer und Hörwarter (… )“ (Wörndle 1908, S. 31). Das unglückliche Treffen der kaiserlichen Armee am 13. und 14. Dezember 1800 in Saalach erforderte eine sofortige Verschiebung der Streitkräfte zum Pass Strub, in dessen Vordefileen (Schneitzlreit und Bodensbühel) nur 400 Mann standen. Am 15. Dezember ritt Major Stainer persönlich nach Lofer, um die nötigen Instruktionen zu holen. Zwei Tage später kehrte er mit drei Kompanien (254 Mann) nach Unken (Ort) zurück und es kam zu den ersten Vorpostengefechten. Hitziger wurde es aber am nächsten Tag, als die Franzosen die Wegscheid besetzten. Stainers Kompanien stießen in Schneitzlreit und am Bodensbühel mit dem Feind zusammen und warfen ihn mit „Stutzenfeuer“ zurück.
Am 19. Dezember folgte die nächste blutige Schlacht. Die Schützen, unter der Führung Struckers und Reischers, stellten sich einer Horde plündernder Franzosen in den Weg und erschossen oder erschlugen sie, den Rest schlugen sie in die Flucht. „Stainer war an diesem Tage von FML. Freiherrn v. Holler, der mit Marquis de Chasteler nach Lofer gekommen, beauftragt worden, in das Pinzgau zurückzureiten, um mittels strengster Befehle und Drohungen vom kaiserlichen Generalkommando in Innsbruck alle geistlichen und weltlichen Obrigkeiten zur tätigsten Mitwirkung zu verpflichten. “ (ebd. 1908, S.32). Am 21. Dezember waren weitere Kompanien von Waidring und St. Johann in die Vorpostenlinie eingerückt, sodass der feindliche Vorstoß leicht zurückgewiesen werden konnte. Nach zweitägiger Ruhe griffen die Franzosen am frühen Morgen des Heiligen Abends mit 2.500 Mann an. Die Landesverteidigung der Tiroler bestand aus 17 Kompanien, unterstützt durch eine kleine Zahl von Militär und einem Geschütz. Acht Stunden dauerte der ungleiche Kampf, da die Franzosen wesentlich besser ausgerüstet waren, dennoch verzeichnete auch der Feind 300 Tote und 200 Verwundete, und konnte in die Flucht getrieben werden. Major Stainer hatte an diesem Tag die Reservetruppen im Steinpass befehligt.
Besonders tapferen Schützen stellte Stainer noch persönlich Atteste aus, und als der Friede bekannt wurde, zogen die Schützen und Landstürmer zur Danksagung nach Maria Kirchental. Auf einer Gedenktafel gaben Stainer und dessen Kampfgefährten ihren Dank für die Rettung des Vaterlandes Ausdruck.
1804 beteiligte er sich fleißig an der Einführung der Landmiliz in seinem Gerichtssprengel. Man musste vorsorgen, denn schon das Jahr 1805 brachte eine neue Kriegsgefahr mit sich. Von Scharnitz her versuchte Marschall Ney, in Tirol einzubrechen, um gemeinsam mit der Division Deroy die Armee Erzherzog Johanns aus dem Bergland zu vertreiben. Vorerst gelang dies auch, und sie drängten bis zum Bodensbühel vor, aber am 2. und 3. November wurden 10.000 Streiter von 2.300 Landesverteidiger in Strub nach 24-stündigem Kampf zurückgeworfen. Die Ortschaften Unten und Lofer wurden dabei vollständig geplündert. Von Waidring einwärts nach Tirol herrschte große Angst und Schrecken unter den Bewohnern. Über Major Stainers Anteilnahme an den Kämpfen ist sehr wenig bekannt, dass er aber dennoch tätig war, beweisen die Aufzeichnungen vom Schriftführer der Waidringer Kompanie, Leonard Willinger, von 1805. Weiters bezeugen dies die zwei Schreiben des Pflegers von Kitzbühel an Stainer, in welchen er im ernsten Schreiben über den Einbruch in Scharnitz informiert wurde, und aus dem zweiten ging hervor, dass er informiert wurde über die Bedrohung der Hauptstadt Innsbruck, und dass die Feinde von dort ins Unterinntal vordringen wollten. Stainer hatte die Aufgaben, den Landsturm wieder aufzubieten und gegen die Feinde einzugreifen. 1806 gründete Stainer den k.k. priv. Gemeinde-Schießstand in Waidring, „(… ) ein Beweis, dass Stainer die Bedeutung des Schützenwesens zu würdigen wusste. “ ( ebd. 1908, S.40). Auch 1809 war Stainer im Namen des Landes Tirol tätig. Schon Ende April dieses Jahres vermutete man, daß die Feinde von Salzburg herrücken würden. Stainer hatte die Aufgabe, die geringe kaiserliche Besatzung bei Strub zu verstärken. Allmählich erhielt er Verstärkung von Kitzbühel unter Josef Hechenberger und von den Jochbergern und Aurachern unter der Führung von Anton Oppacher. Aber es waren zu wenige, und Stainer schickte Boten aus, um noch mehr Hilfskräfte zu bekommen. Aber überall wurden die Schützen gebraucht und deshalb trafen erst nach ein paar Tagen die Kompanien von Schwaz, von Vomp und von Urbar Waidring ein. Unglücklicherweise musste Stainer einen Teil der Schützen der Nebenpositionen in Kitzbühel und am Pass Luftenstein einsetzen. Weiters konnte Stainer von den Salzburgern keine Hilfe erwarten, da er aus einem Schreiben erfuhr, dass sie den Posten Hirschbühel nicht mehr länger halten konnten, da es an Geld und Mundvorrat fehlte. Hingegen passierte in Tirol alles Denkliche: das K.K.-Bergwerksamt Kitzbühel sowie das Bergwesendirektorium in Schwaz unterstützten Hilfskompanien mit Geld und Lebensmitteln.
Die Lage wurde zunehmend gefährlicher und aus einem Schreiben am 7. Mai von Roschmann an Stainer geht hervor, dass der Feind bald den Pass Strub angreifen würde, und es sei äußerste Vorsicht geboten, da der Feind möglicherweise von allen Seiten angreifen könnte.
Der Feind ließ wirklich nicht auf sich warten: Am 11. Mai stand er mit 8.-9.000 Streitern, 800 Pferden und 12 Geschützen vor dem Pass Strub. Was dort geschah berichtete ein Augenzeuge:
„Ein schrecklicher Tag für Lofer! Um 6 Uhr des Morgens redirierten die Kaiserlichen und die Tiroler mit saftiger Eile nach dem Pass Strub. Zwei Kanonenschüsse geschehen am Hochgastage eine kleine 4 tl Stunde von Lofer. Der Wirbel der Trommeln begann und mit einem fürchterlichen Avances, Avances stürmten die bayrischen Truppen mit gefällten Bajonette im Dubblirschritte durch den Markt und hin gegen Strub und Luftenstein – über die Loferalpe und Faistau, über die Aschau und den Mairberg, kurz auf allen Seiten her zogen die Truppen; der ganze Markt, die Felder und Auen gegen den Strub und St. Martin waren angefüllt, hoch auf den Bergen sah man Helme und Musketen blitzen. “ (ebd. 1908, S.50). Die Kämpfe waren erbittert, die Luft war erfüllt von Rauch und Pulverdampf und natürlich vom Knallen der Stutzen. Der Pass hielt sich um 1 Uhr noch sehr gut, hingegen loderten die Flammen schon über den Markt. Um halb 3 Uhr morgens überstiegen bayrische Truppen auf der Nordseite den Pass Strub und feuerten von der Seite auf die Tiroler – die Tiroler mussten fliehen und der Pass fiel.
Am 12. Mai 1809 beginnen um 4 Uhr morgens die Unruhen von Neuem. Pass Luftenstein kann sich noch halten, unaufhörlich fahren die Franzosen mit ihren Plünderungen in den Dörfern fort. Als sie in Lofer eine alte Schützenfahne finden, droht Lofer die Einäscherung, nur mit Mühe kann um Gnade gebeten werden. Am 13. Mai 1809, nach neunstündigem Kampf, bei dem die Bayern 2.000 Mann verloren hatten – die Tiroler nur 87 – nachdem Strub gefallen war, schossen die Feinde in unser Land. Sie kannten keine Gnade. Nachdem das Pass-Wirtshaus und das Mutter- Anna-Kirchlein niedergebrannt worden waren, wurde Waidring, die Heimat Stainers, das erste Opfer der „modernen Vandalen“. Sie plünderten und mordeten. Das Gasthaus zur Post wurde verschont, da es den Offizieren als Quartier diente, aber viele der anderen Häuser wurden niedergebrannt. (Der Ausweis für Vergütung an Brand und Raubschäden in Waidring betrug für 27 Parteien 2.932 fl. 21 kr., wovon Postmeister Stainer allein 872f1.11kr. erhielt.) Erst nach 2 Wochen gelang es durch Bemühungen einzelner, voran der Posthalter, die Spuren allmählich verschwinden zu lassen.
„Neue Feindeslast folgte im Spätherbst d. J. und die Dörfer im Leukentale wurden neuerdings empfindlich getroffen, indessen kam es in dieser Gegend zu keinem Kampfe mehr und der Friedensschluß von Schönbrunn überlieferte Tirol an die Krone Bayerns. “ (ebd., S. 62)
Jahre der Unterdrückung folgten und die bayrischen Beamten wussten, dass es keinen besonderen Anstoß brauchte, um die „Rebellion“ wieder in Flammen zu setzen. Aber dem beugten die Bayern vor, und so begann 1812 die bayrische Razzia nach den Führern des Volkes. “ Auch Major Stainer stand auf der Proskriptionsliste und gleich andere Wintersteller’schen Offizieren ward auch er 1813 aufgegriffen, als Geisel nach München geschleppt und schließlich in Ingolstadt eingekerkert: der beste Beweis, daß man seiner österreichisch-patriotischen Gesinnung nicht traute und seine Bedeutung für den Fall eines abermaligen Aufstandes in Tirol „zu würdigen wusste“. (ebd., S.62)
Erst durch den deutschen Freiheitskampf wurde er freigelassen und kehrte am 9. Oktober 1813 nach Waidring zurück. Die letzten 13 Jahre seines Lebens verbrachte er für seine Gemeinde wirkend in Waidring. Am 26. Mai 1826 verstarb der Patriot an Lungenkrampf und hinzugetretener Wassersucht im Alter von 71 Jahren.
Am östlichen Eingang des Dorfes Waidring erinnert uns eine Denksäule an die Tapferkeit des Postmeisters Johann Jakob Stainer.