von Mjr. Emmerich Steinwender (†)
Ein altes Sprichwort sagt: „Sage mir, mit wem du umgehst, und ich sage dir, wer du bist!“ Wir Schützen befinden uns in ausgezeichneter Gesellschaft, wenn wir unsere Schützenfahnen betrachten. Auf der einen Seite das Zeichen des christlichen Glaubens und auf der anderen das Zeichen unserer Heimat Tirol. Wenn wir diese beiden Zeichen als Richtschnur für unser Leben ansehen, dann sind wir auf dem richtigen Weg. Wir treten dann ein für die Treue zu Gott und für Heimat und Vaterland.
Die Fahne ist ein Symbol für Gleichgesinnte. Dieses Symbol hält man in Ehren, man steht dazu. Die Fahne ist aber auch ein herausragendes Zeichen einer Gemeinschaft und einer alles umfassenden Idee. Die Fahne einer Kompanie ist also ein offengelegtes Bekenntnis zu den Grundsätzen des Bundes der Tiroler Schützenkompanien und verpflichtet in besonderem Maße. Sie begleitet durch den Alltag in Freud und Leid, eigentlich durch das ganze Leben. Diese Fahne wird allen die Künderin einer Botschaft sein, sie wird mahnen, sie wird fordern und zugleich Ziel und Richtung weisen.
Die heute noch sehr hohe Bedeutung der Fahne und der in früheren Kriegen um sie entbrennende Kampf zeigen anschaulich, wie wichtig es war, dieses weithin sichtbare Truppenkennzeichen nicht zu verlieren, weil die Soldaten sonst desorientiert den augenblicklichen Standort ihrer Truppe nicht erkennen konnten.
Bevor es noch Trompetensignale gab, wurden durch Schwenken und Hochwerfen der Fahne auch Befehle an die Truppe weitergegeben.
Wenn wir die Truppen der k. k. Armee betrachten, so wurden den einzelnen Truppenkörpern Fahnen von „Allerhöchsten Herrschaften“ verliehen. Sogar noch in der 2. Republik kann einem Truppenkörper eine Fahne nur vom Land oder Gemeinden verliehen werden.
Ursprünglich waren auf der Fahne das Zeichen des Staates (Doppeladler) und auf der anderen Seite meistens die „Schutzmantelmadonna“ abgebildet. Für diese Aussage biete ich das Heeresgeschichtliche Museum in Wien an, in welchem viele Fahnen der alten Armee aufbewahrt sind.
Ab dem Jahre 1796 änderte sich in Tirol in dieser Hinsicht so manches. In den bevorstehenden Kriegswirren hat sich das Land Tirol dem heiligsten Herzen Jesu verschrieben. Als sichtbares Zeichen finden wir ab diesem Jahr als christliches Zeichen das Bildnis vom Herzen Jesu. Aber wie es halt einmal im Leben ist, gab es auch zur damaligen Zeit so manche Zeitgenossen, die nicht einverstanden waren, dass man die Gottesmutter nicht mehr auf den Fahnen hatte. Findige Köpfe fügten dann ein Medaillon im Corpus des Tiroler Adlers mit der Muttergottes und dem Jesukind ein. Ein Musterbeispiel ist dafür die Fahne von der Schützenkompanie Plans, die vom Paznauner Künstler Pfeifer dem Jüngeren um ca. 1816 stammt.
Aber wie schon angedeutet, ging man in Tirol immer eigene Wege. Man war nicht einverstanden, wenn auf einer Schützenfahne kein christliches Zeichen angeführt wurde. Bei der alten Wenner Fahne, die aus dem Jahre 1750 stammt und auf beiden Seiten den Reichsadler führt, hat man in dessen Brustfeld das Bildnis Mariahilf eingesetzt. Diese alte Fahne befindet sich im Schützenheim in einer Glasvitrine.
Die Bilder auf den Schützenfahnen sind in neuerer Zeit meistens gestickt. Früher wurden die Fahnenbilder von bekannten Malern gemalt. Die Fahne des Schützenregimentes Oberland, die am 14. August 1955 in Silz beim 1. Regimentsschützenfest gesegnet wurde, hat der akademische Maler Zötsch gestaltet.
Beherzte Männer hatten im Jahre 1939 und dann vor allem im Jahre 1945 alte historische Fahnen versteckt, um sie wieder nach Genehmigung der Schützen durch den französischen General Emile Bethouart (gest. 1982) mittragen zu können.
In seinem Testament hat General Bethouart festgelegt, dass bei seiner Beerdigung Schützenoffiziere das Sargspalier stellen und daß die Bundesstandarte der Tiroler Schützen mitzuführen sei. Leider haben es die österreichischen Medien nicht verstanden darzulegen, dass das erste Mal nach dem Jahre 1809 eine Fahnenkompanie der französischen Streitkräfte der Tiroler Bundesstandarte beim Einzug in den Invalidendom in Paris die militärische Ehrenbezeugung geleistet hat.
Auch in Südtirol wurde durch die Faschisten eine regelrechte Jagd nach den Schützenfahnen durchgeführt. Auch dort gab es Männer, die wertvolle Fahnen versteckten. Die älteste Fahne ist bei der Kompanie Gries, die bereits 1797 urkundlich erwähnt ist. Bereits im Jahre 1958 wurden im Bezirk Bozen-Unterland vier Kompanien gegründet; im darauffolgenden Jahr kam es dann zu weiteren neun Gründungen, sodass beim Landesfestzug 1959 in Innsbruck bereits mehrere Kompanien und Fahnenabordnungen teilnehmen konnten.
Die Fahne des Bundes der Tiroler Schützenkompanien stammt aus dem Jahre 1499 und ist daher älter als das Landlibell.
Beim Alpenregionsfest im Jahre 1982 in Brixen wurde eine eigene Alpenregionsfahne gesegnet.
Ich sehe das Plakat der Vierzigjahrfeier vor mir – den Schützen mit der Fahne in der Hand, aufrecht und standfest, am Fahnenblatt die Symbole von Kirche und Heimat und als Fahnenbänder das Motto: „Bekenntnis, Gemeinschaft, Tat“. Wir sagten uns, dass dieser Aufruf zur Vierzigjahrfeier des Bundes der Tiroler Schützenkompanien an uns nicht vergessen und verloren sein sollte nach all den Feierlichkeiten, dass vielmehr die Arbeit da beginne, und so sollen diese drei Imperative der Reihe nach unsere Mottos sein.
Ein General gab seinem Sohn, als dieser auf die Militärakademie ging, die Weisung: „Wenn du dich irgendwo länger als 24 Stunden befindest und du zeigst nicht Fahne – das heißt, man weiß dann noch nicht, welch Geistes Kind du bist -, dann hast du den falschen Beruf gewählt, dann lasse lieber deine Finger davon.“
Wer es mit der großen Schützenidee ehrlich meint, für den ist die Fahne das Zeichen für Treue, Freiheit, Gemeinschaft und echter Kameradschaft.